Es erinnert sich Eckart Schütte

Dass die Beeke in vielen Jahren Hochwasser führte war für die Ricklinger Bevölkerung nichts Neues. Nur in jenem Jahr stieg das Wasser nicht nur über die Beekebrücke, sondern überschwemmte in den vorausgegangenen Tagen auch schon die Bereiche zwischen Beeke und Leine. Am Samstag, den 8. Februar stieg das Wasser so schnell, dass es um die Mittagszeit bereits in der Nordfeldstraße stand. Es muss um 14:00 Uhr gewesen sein, als das Wasser in die Dannenbergstr. floss. Auch aus der Kanalisation stieg Wasser auf. Dies stand zu diesem Zeitpunkt auf der entgegengesetzten Seite unseres Hauses Nr. 19 auf dem Bürgersteig und sah mit Kindern aus der Nachbarschaft zu, wie sich unsere Straße füllte. Nach wenigen Minuten war die Straße ein regelrechter Fluss geworden. Um auf die andere Straßenseite zu gelangen, wo wir wohnten, musste ich nun bis zum Straßenende und dann die gesamte Höpfnerstr. bis zum Stadtweg laufen. Erst dann konnte ich die Straße überqueren. Ich lief am Stadtweg in Richtung Nordfeldstraße. Bis zu der Wirtschaft Wissel. Die Lage an der Ecke Stadtweg/Nordfeldstraße neben der Bäckerei Hagemann. Hier ging es schon nicht mehr weiter.

Das Wasser war in der Zwischenzeit so weit in die Nordfelsstraße eingeströmt, dass es in den Ricklinger Stadtweg einlief. Das hieß für mich, entweder durch das Wasser um nach Hause zukommen, oder auf dem Zaun entlang balancieren bis zum Hofeingang neben dem damaligen Lebensmittelladen Bargmann. Mit leicht nassen Füßen erreichte ich über den Innenhof unser Haus von der Rückseite. Meine Schwester und meine Eltern waren schon dabei den Keller leer zu räumen. Viel gab es nach dem Krieg ja nicht, aber ein paar Zentner Kartoffeln und einige Flaschen Rapsöl, sowie unsere Fahrräder wurden in Sicherheit gebracht. Ebenso das Eingemachte. Als dann das Wasser durch die Kellerfenster hereinbrach waren in kurzer Zeit alle Keller voll gelaufen. Mein Vater hat noch in der Badehose, trotz des kalten Februarwassers, die restlichen Habseligkeiten herausgeholt.

Nun begann im Haus das große Messen. Alle halbe Stunde wurde mit dem Zollstock das Steigen des Wassers erfasst. Sechs Stufen im Hausflur stieg das Wasser im Laufe des Tages, dann lief es in die Parterre-Wohnungen. Das war für die Mieter bitter, denn in so kurzer Zeit konnten die Wohnungen trotz Hilfe aller nicht geräumt werden. In den Wohnungen stand am anderen Tag das Wasser ca. 0,5 m hoch.

Wir hatten zwar viel gerettet, jedoch kein Heizmaterial. Aus diesem Grund zog mein Vater wieder seine Badehose an und schwamm in der Dannenbergstr. um einige Bretter zu ergattern, die gerade vorbei trieben. (Das ist keine Story!!)

Wie es in den Wohnungen und in den Geschäften ausgesehen hat, als nach zwei Tagen das Wasser zurückging ist kaum zu beschreiben. Noch heute ist an einigen Stellen in Ricklingen die damalige Hochwassermarke erkennbar.

Eine amüsante Abwechslung gab es, als einige Bürger in schnell zusammen gebastelten Flößen durch die Straßen paddelten. In unserer Nachbarschaft saß ein Schiffbrüchiger auf dem Türvorsprung und wartete auf Rettung. Er wird wohl überlebt haben!

Ich erinnere mich noch, dass die Feuerwehr am 9. oder 10. Februar Lebensmittel für Kleinkinder brachte. Für uns war das Hochwasser so eine Art Abenteuerurlaub zu Haus.

Von den entstandenen Schäden und den damit verbundenen Kosten und gegebenenfalls entstandenen Tragödien hatten wir Kinder damals keine Vorstellung.

Erlebt und aus dem Stegreif geschrieben

Aus: 50 Jahre Ricklinger Deich 1954 - 2004
Deichgrafen-Collegium Ricklingen, 01. Februar 2004

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Aktualisiert: 11.01.2005