Ernst Rohner

Ich kann mich noch sehr gut an den 9. Februar 1946 erinnern. Wir wohnten damals in der Bebelstraße. Es war ein Sonnabend und ich war mit Freunden im Ricklinger Holz unterwegs. Da waren damals noch Lauben, so kurz nach dem Krieg waren die alle bewohnt. Bis zum Wald kamen wir nicht mehr, weil dort schon die Feuerwehr dabei war, die Menschen aus ihren Gartenhäuschen zu retten.

Wir drehten schleunigst um und blieben bei "Steckers Eck", wo auch die Beekestraße beginnt, wie gebannt stehen. Die Straßenbahn kam daher wie ein Überseedampfer und schob eine mächtige Bugwelle vor sich her. Wir sahen zu, dass wir nach Hause kamen.

Ich war noch nicht ganz zu Hause, da bekam ich von meinem Vater gleich "eine geschmiert", weil er ganz allein die für uns so wertvollen Essens- und Kohlevorräte aus dem Keller in das Treppenhaus und auf den Dachboden schaffen musste. Viel Zeit blieb nicht, dass Wasser stand bald hoch bis an die Roste des Küchenherdes. Ich vergesse nie das Geräusch, wie die Einmachgläser umfielen und im Wasser aneinanderschlugen.

Wir rückten im ersten Stock zusammen. Der Strom fiel aus. Die Toilettenspülung funktionierte nicht mehr, überhaupt, die sanitären Verhältnisse waren unglaublich. Wortwörtlich kam die "Scheiße" aus dem Gully-Deckel hoch. Benzinkanister, die sich am Schützenplatz selbstständig gemacht hatten, schwammen in trauter Eintracht mit einem alten DKW durch die Straßen.

Wir haben uns aber nicht unterkriegen lassen; wir haben mit 20 Personen in einem Zimmer im ersten Stock gesessen, im Schein der Petroleumlampe mit Akkordeon, Geige und Gitarre Musik gemacht und gesungen. Der Zusammenhalt und die Nachbarschaftshilfe dieser Tage waren unbeschreiblich.

Text & Foto aus: 50 Jahre Ricklinger Deich 1954 - 2004
Deichgrafen-Collegium Ricklingen, 01. Februar 2004

Weiter: Hans Großkopf

Aktualisiert: 11.01.2005